Kolberger Resolution / Rezolucja Kolobrzezka
26.01.2013: 10-Punkte-Programm für die Entwicklung des deutsch-polnischen Wirtschaftsraums unter Einbeziehung der Infrastruktur und des grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes
Aufbauend auf das Abkommen über Freundschaft und Zusammenarbeit vom 12. August 1991 und die über 20-jährige erfolgreiche Städtepartnerschaft zwischen den Metropolen Berlin und Warschau und die Partnerschaften zwischen Berliner Bezirken und polnischen Städten setzt sich die SPD-Fraktion dafür ein, dass die Beziehung zwischen den beiden Nachbarstaaten Polen und Deutschland, insbesondere die Beziehung zwischen den beiden Hauptstädten Berlin und Warschau, lebendig gehalten wird sowie die wirtschaftlichen und kulturellen Aktivitäten in alle gesellschaftliche Bereiche zum gegenseitigen Verständnis und zur Belebung des wirtschaftlichen Austauschs ausstrahlen. Vor diesem Hintergrund und im Bewusstsein der wechselvollen gemeinsamen Geschichte zwischen Polen und Deutschland verfolgt die SPD-Fraktion folgende Ziele:
Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit
1. Wir wollen die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit Berlins mit den grenznahen polnischen Wojewodschaften beleben durch: - die Weiterentwicklung der erfolgreichen grenzüberschreitenden Wirtschaftsregion, insbesondere den Ausbau des 2006 gegründeten internationalen Kompetenzleitbildes "Oderregion" und - den weiteren Ausbau der Oder-Partnerschaft (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und die westpolnischen Wojewodschaften Großpolen, Westpommern, Niederschlesien und Lubuskie) mit dem Ziel, das Grenzgebiet gemeinsam ökonomisch voran zu bringen, infrastrukturell optimal zu vernetzen und ein gemeinsames Standortmarketing für die Oderregion mit internationaler Ausstrahlungskraft zu entwickeln.
2. Wir setzen uns für die Verankerung der bilateralen Zusammenarbeit in künftige operationelle Programme für die neue EU-Förderperiode ein. Die Strukturfonds-Programme sollen in der nächsten Förderperiode für grenzübergreifende Zusammenarbeit geöffnet und genutzt werden können. Hierbei wollen wir die verschiedenen EFRE-Förderprogramme gezielt vernetzen.
3. Wir wollen die Zusammenarbeit Berlins mit Warschau weiter beleben. Ziel soll sein, die gemeinsame Strategie der Metropolenregionen innerhalb der Europäischen Union zu profilieren. Insbesondere wollen wir die Kontakte im Bereich der Kommunalverwaltung in Berlin und Warschau weiter ausbauen und durch die Förderung des Erwerbs der polnischen und deutschen Sprache und der kulturellen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, mit z.B. gegenseitigen Hospitationen und Sprachkursen den Austausch fördern.
4. Durch den weiteren Ausbau der Handelsbeziehungen und der Vernetzung von Unternehmen in Berlin und Polen sollen die wirtschaftlichen Beziehungen belebt und Synergieeffekte genutzt werden. In Zusammenarbeit mit Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Hochschulen wollen wir polnisch-deutsche Netzwerke, vor allem Ausbildungsverbünde und Industrienetzwerke, stärken sowie die Bildung neuer Netzwerke und Kooperationen mittlerer und kleiner Unternehmen unterstützen. Wir wollen Verbindungsbüros in Berlin und Warschau installieren. Darüber hinaus wollen wir Existenzgründungen von Polinnen und Polen in Berlin weiter unterstützen; diese tragen zur Wirtschaftskraft der Stadt bei.
5. Wir werden mit längerfristigen Kooperationen im Bereich der Wissenschaftslandschaft und der Kultur- und Kreativwirtschaft (z.B. Ausstellungen, Workshops im Bereich der bildenden Kunst, Mode, Fotografie, Musik und Tanz) zur Belebung der Beziehungen aber auch zur Steigerung des wechselseitigen Tourismus und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen. Insbesondere die Oderregion soll als einzigartige grenzüberschreitende Kulturlandschaft international gemeinsam beworben werden. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung bei internationalen Kongressen, Konferenzen und Veranstaltungen und die Förderung des Erfahrungsaustausches zwischen den beiden Hauptstädten soll weiter gestärkt und die Position der beiden Hauptstädte Berlin und Warschau innerhalb der Europäischen Union weiter profiliert werden. Die rund 70 Partnerschaften zwischen Berliner und Warschauer Schulen und Hochschulen bzw. anderen polnischen Städten sollen weiter intensiviert werden. Dabei soll der Austausch zwischen jungen Erwachsenen und Jugendlichen, insbesondere bei Sportereignissen gefördert werden und der Erwerb der polnischen Sprache an Berliner Schulen verbessert werden.
Gute Arbeit, Faire Bedingungen, Rechtssicherheit
6. Die SPD-Fraktion will gemeinsam mit Brandenburg und den Nachbarwojewodschaften in Westpolen eine wirksame regionale Arbeitsmarktpolitik befördern. Dabei sind faire Arbeitsbedingungen, Qualifizierung und die Fachkräfte- und Ausbildungssituation einzubeziehen. Die Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist Herausforderung und Chance zugleich. Wir wollen Zuwanderung qualifizierter polnischer Fachkräfte, um damit auch dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. In Vorbereitung auf grenzüberschreitende Berufsbiografien wird insbesondere der ausbildungsbegleitende Austausch junger Menschen gefördert.
7. Wir setzen uns für gerechte Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein, insbesondere für mobile Beschäftigte (etwa Entsendete im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit oder Selbständige aus MOE-Ländern im Rahmen der Niederlassungsfreiheit). Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit müssen für alle Seiten sozial gerecht gestaltet und prekäre, teilweise diskriminierende Beschäftigungsformen zurückgedrängt werden. Wir unterstützen die Forderungen der Gewerkschaften im Kampf gegen diskriminierende Beschäftigungsformen und Ausbeutung von Arbeitskräften. Deshalb setzen wir uns auch für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen für polnische Arbeitskräfte in Berlin ein. Das Anliegen der Beratungsstellen, mobile Ratsuchende zu betreuen und sie fachkompetent über ihre Rechte zu informieren, unterstützen wir weiterhin nachdrücklich. Wir wollen helfen, die Vernetzung wichtiger Akteure voranzubringen. Die SPD-Fraktion wird einen Senatsentwurf eines Gesetzes zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse beraten.
Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrsinfrastruktur
8. Die grenzüberschreitende Schieneninfrastruktur und das Bahnangebot der Region der Oder- Partnerschaft müssen dringend ausgebaut werden. Für die Verbesserung des Bahnangebots, die Koordination und Kommunikation der deutsch-polnischen Fahrpläne des Bahnverkehrs sowie die Entwicklung attraktiver Tarifangebote ist die Arbeit des „Runden Tisches Verkehr der Oder- Partnerschaft“ fortzusetzen und zu intensivieren. Die Strecke Berlin - Warschau soll zur Hochgeschwindigkeitsstrecke ausgebaut werden.
Die SPD-Fraktion setzt sich dafür ein, dass der am 20.12.2012 unterzeichnete Staatsvertrag zum Ausbau der Bahnstrecke Berlin - Stettin zügig und umweltverträglich umgesetzt wird. Die notwendigen Haushaltsmittel sind im Bundeshaushalt einzustellen, damit eine Realisierung des zweigleisigen Ausbaus der Bahnstrecke auf 160 km/h und die Schließung der Elektrifizierungslücke deutlich vor dem Jahr 2020 erfolgen kann. Die Vorplanungen und die notwendigen Planfeststellungsverfahren sind zügig zu beginnen. Wir fordern, dass für die Zeit nach dem Ausbau der Bahnverbindung Berlin - Stettin ein neues Regionalverkehrs-Konzept erarbeitet wird. Das heutige Angebot mit Pendelzügen zwischen Angermünde und Stettin (RB 66) ist durch schnelle und umsteigefreie Verbindungen zwischen Stettin und den Berliner Bahnhöfen des Nord-Süd-Tunnels zu ersetzen. Attraktive Anschlüsse zum zukünftigen Flughafenbahnhof BER „Willy Brandt“ sind herzustellen.
Ein besonders wichtiges Infrastrukturprojekt zwischen Berlin und Westpommern ist der Wiederaufbau der durch Kriegshandlungen zerstörten Eisenbahnverbindung Berlin - Ducherow - Karniner Brücke - Usedom - Świnoujście. Die SPD-Fraktion unterstützt die Aktivitäten des Berliner Senats, zusammen mit der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und der Wojewodschaft Westpommern, in der „Task Force Karniner Brücke“ ein europäisches Konzept zur Finanzierung des Wiederaufbaus zu realisieren. Wir unterstützen die Initiative der SPD Brandenburg, die Ostbahn zwischen Berlin, Küstrin und Krzyz (Kreuz) als wichtige Entlastungstrecke des TEN Schienengütervorrangkorridors und als zukünftiger Teil der „Rail Baltica“ auf deutscher Seite zweigleisig auszubauen, auf deutscher und polnischer Seite zu elektrifizieren und im neuen Bundesverkehrswegeplan anzumelden. Wir begrüßen weiterhin die vom Berliner Senat und der Landesregierung Brandenburg vorgeschlagene Führung der IC-Züge von Berlin nach Breslau über BER - Cottbus - Hoyerswerda - Horka damit ab 2016, wenn die Elektrifizierungslücke zwischen Horka und Hoyerswerda beseitigt und die Strecke auf 160 km/h ausgebaut ist, eine Verkürzung der Fahrzeit auf 3,5 Stunden möglich wird.
9. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Häfen von Stettin und Swinemünde sich durch die Zusammenarbeit mit dem Westhafen, der BEHALA und weiterer deutscher Logistikunternehmen wieder zu wichtigen Häfen für den Berliner Wirtschaftsraum entwickeln können. Diese Entwicklung unterstützen wir ausdrücklich.
Zusammenarbeit in der Energie- und Umweltpolitik
10. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt der Zukunft der Oderregion, insbesondere auch im ökologischen und ökonomischen Sinne. Hierfür soll die Kooperation im Bereich der Stadtentwicklung sowie auf dem Gebiet der Energie- und Umweltpolitik, auch in Bezug auf den Erhalt von Naherholungsgebieten im Einzugsgebiet der beiden Hauptstädte ausgebaut werden. Wir werden uns in Gesprächen mit unseren polnischen Partnern auch dafür einsetzen, dass Polen den Bau der geplanten Atomkraftwerke noch einmal überdenkt. Ebenso werden wir grenzübergreifend über die Etablierung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und intelligente Energietechnologien sprechen. Die bereits bestehenden, vielfältigen deutsch- polnischen Aktivitäten in Sachen regenerative Energien sollen fortgesetzt werden, wie z.B. das Deutsch-Polnische Energieforum, das Engagement der Deutsch-Polnischen Handelskammer oder verschiedenste INTERREG-Projekte. Das Thema „Regenerative Energien und Energieeffizienz im Kooperationsraum Oder“ kann als ein neuer Aktionsschwerpunkt der Oder-Partnerschaft installiert werden. Die Chancen und Potentiale sollten gezielt für die Region identifiziert und Nutzungsszenarien entwickelt werden.