Warum ich Klaus Wowereit weiterhin als Regierenden Bürgermeister unterstütze!

14.01.2013: Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen Klaus Wowereit am 12. Januar 2013.

Die erneute Verschiebung der Eröffnung des Flughafens BER sorgt seit rund einer Woche für Aufregung und Empörung. Ich verstehe das. Ich bin schockiert über das zunehmend deutlichere Ausmaß an Fehlplanungen und Baumängeln am BER. Für Berlin ist die Angelegenheit ein Desaster, an dem es nichts zu beschönigen gibt. Das Desaster hat eine Vielzahl an Facetten und negativen Konsequenzen. Dazu zählen die ausbleibenden wirtschaftlichen Impulse, die vom BER ausgehen sollten, die große wirtschaftliche Not, in die viele Gewerbetreibende am BER durch die Verschiebung geraten, der Imageschaden für Berlin und der finanzielle Schaden, der durch höhere Baukosten entsteht.

Der Flughafen BER wird von der Flughafengesellschaft Berlin gebaut, die vollständig in öffentlicher Hand ist. Anteilseigner der Flughafengesellschaft sind die Länder Berlin und Brandenburg (mit je 37 Prozent) sowie der Bund (mit 26 Prozent). Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ist mit hochrangigen politischen Vertretern der drei Anteilseignern besetzt. In einer solchen Situation muss selbstverständlich die Frage nach der politischen Verantwortung für das Desaster gestellt werden.

Meine Partei, die SPD, stellt in Berlin seit 2001 den Regierenden Bürgermeister und in Brandenburg seit 1990 den Ministerpräsidenten. Beide sitzen zusammen mit von den jeweiligen Koalitionspartnern CDU und Linke gestellten Ministern bzw. Senatoren seit vielen Jahren in den Aufsichtsgremien der Flughafengesellschaft. Klaus Wowereit trägt also ganz klar Verantwortung für den Flughafen und muss sich den großen Problemen des BER stellen.

Als Reaktion auf die erneute Verschiebung des Eröffnungstermins haben am 10. Januar 2013 die Fraktionen von Grünen und Piraten im Abgeordnetenhaus einen Misstrauensantrag gegen Klaus Wowereit gestellt. Mit diesem Antrag ist an mich direkt die Frage gestellt, ob ich Klaus Wowereit als Regierenden Bürgermeister weiterhin unterstütze und ihm mein Vertrauen ausspreche.

Als Abgeordneter wäge ich jede meiner Entscheidungen gut ab. Ich bin mir bewusst, dass die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses eine große Tragweite besitzen und oftmals die Lebensrealität vieler Menschen direkt berühren. Natürlich spielt bei jeder Abwägung mein Gewissen eine entscheidende Rolle. Entscheidungen, die im Widerspruch zu meinen moralischen und politischen Überzeugungen stehen, verantworte ich nicht. So will es auch die Verfassung von Berlin, nach der Abgeordnete bei ihrer Entscheidung frei und allein ihrem Gewissen unterworfen sind.

Dem Regierenden Bürgermeister das Vertrauen auszusprechen oder zu entziehen ist eine Entscheidung von besonderer Tragweite und bedarf einer gründlichen Abwägung. Im Folgenden erläutere ich, welche Aspekte für meine Entscheidung maßgeblich waren.

Grundsätzlich halte ich Klaus Wowereit für einen guten und geeigneten Regierenden Bürgermeister. Entsprechend habe auch ich Ihn mit meiner Stimme in den Jahren 2006 und 2011 im Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt. Darin unterscheide ich mich von den Antragsstellern, die Klaus Wowereit weder 2006 noch 2011 gewählt haben.

Ausgehend von der grundsätzlichen Zustimmung zum Regierenden Bürgermeister habe ich für mich die Frage zu beantworten, ob seit seiner erneuten Wahl im November 2011 Dinge passiert sind, die mein Vertrauen in Klaus Wowereit zerstört oder die einen unauflösbaren Widerspruch zwischen seinen und meinen politischen Überzeugungen, Absichten oder Handlungen erzeugt haben. Jenseits des BER beantworte ich diese Frage ohne Einschränkung mit Nein. Die Entscheidungen des Senats und die Politik des Regierenden Bürgermeisters finden meine grundsätzliche Unterstützung. Die Politik des Senats unter der Führung von Klaus Wowereit steht im Einklang mit dem zwischen SPD und CDU geschlossenen Koalitionsvertrag, dem ich im Herbst 2011 zugestimmt habe. Die Arbeit der letzten 14 Monate gibt mir keinen Anlass, Klaus Wowereit mein Vertrauen zu entziehen.

Bleibt die Frage, ob im Lichte der seit Frühjahr 2012 zunehmend sichtbar werdenden Probleme beim Flughafenbau die Tätigkeit von Klaus Wowereit im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft dazu angetan ist, ihn für das Amt des Regierenden Bürgermeisters für ungeeignet zu halten und das Vertrauen in seine Person und seine Arbeit zu zerstören. Ich denke, dass diese Fragen auf mehreren Ebenen beantwortet werden muss.

Auf der ersten Ebene muss es darum gehen, ob es im Aufsichtsrat durch Klaus Wowereit oder das Gremium insgesamt zu Pflichtverletzungen, Versäumnissen, unrechtlichen oder unverantwortlichen Handlungen oder Entscheidungen gekommen ist. Diese Frage kann ich wie wahrscheinlich kein Mensch ad hoc oder auf der Grundlage sich überschlagender Schlagzeilen und Tickermeldungen beantworten. Alle Fraktionen im Abgeordnetenhaus schienen mir bislang diese Einschätzung zu teilen und haben aus diesem Grund einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung der Situation und der Verantwortlichkeiten eingesetzt. Der Misstrauensantrag zwingt mich nun eine Antwort auf eine Frage vorweg zu nehmen, zu der gerade erst dieser Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen hat. Auf der Grundlage der mir vorliegenden Informationen kann ich sie momentan nicht mit Ja beantworten. Ich habe keinerlei Kenntnis darüber, dass Klaus Wowereit und der Aufsichtsrat insgesamt bewusst weggeschaut oder Probleme verschleiert hätten. Mir sind keine Pflichtverletzungen bekannt, nicht im politischen und auch nicht im rechtlichen Sinne. Vielleicht kommt der Untersuchungsausschuss am Ende seiner Arbeit zu einem anderen Ergebnis. Das kann und will ich nicht ausschließen. Darum kann ich die Frage, ob es unrechtliche oder unverantwortliche Handlungen gab, auch nicht mit Nein beantworten.

Was bedeutet das nun für den Misstrauensantrag? Um Klaus Wowereit mein Vertrauen zu entziehen bzw. ihm das Misstrauen auszusprechen müsste ich diese Frage nach den persönlichen Verfehlungen mit einem eindeutigen Ja beantworten können. Das kann ich nicht! Ich bin erstaunt: Die Grünen und die Piraten halten Klaus Wowereit für untragbar ohne neue Erkenntnisse über seine Arbeit in den Aufsichtsgremien zu haben. Sie handeln und urteilen lediglich auf Grundlage der erneuten Terminverschiebung, die der verantwortliche Technikchef der Flughafengesellschaft vorgeschlagen hat.

Die Opposition behauptet, dass Klaus Wowereit im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft durch Desinteresse, Kumpanei mit der Geschäftsführung oder der bewussten Verschleierung von Problemen aufgefallen sei. Das widerspricht meiner politischen Erfahrungen mit dem Regierenden Bürgermeister. Nach meiner Kenntnis ist Klaus Wowereit in der Regel hervorragend informiert. Er ist nicht nur in der Lage analytisch scharf nachzufragen, sondern hat sichtbare Freude daran, Fehler und Widersprüche aufzudecken. Ich habe von ehemaligen Senatorinnen und Senatoren gehört, dass in Senatssitzung nichts so gefürchtet war, wie die präzisen und oft scharf formulierten Nachfragen des Regierenden Bürgermeisters. Auch in Fraktionssitzungen habe ich es immer wieder erlebt, dass Klaus Wowereit bei vielen Sachthemen schnell, kompetent und präzise die zentralen Probleme identifiziert und thematisiert hat. Dementsprechend kann ich mir die nicht belegte Behauptung, dass sich Wowereit im Aufsichtsrat nicht für die Probleme des BER interessiert oder diese sogar vertuscht habe, nicht zu eigen machen.

Auf der zweiten Ebene geht es um die Übernahme einer allgemeinen politischen Verantwortung durch den Regierenden Bürgermeister. Hierzu steht die These im Raum, dass Klaus Wowereit unabhängig davon, ob er selber sich etwas vorzuwerfen habe, die Verantwortung für das Desaster zu übernehmen hat. Dieser These kann ich zustimmen. Auch ich erwarte, dass der Regierende Bürgermeister Verantwortung übernimmt. Strittig ist allerdings, in welcher Form er diese Verantwortung übernehmen soll. Der Idee, dass man bei Eintreten eines Schadens oder Problems von erheblichem Ausmaß und Interesse unabhängig von der eigenen konkreten Verantwortung oder Schuld nur durch Rücktritt dieser allgemein politischen Verantwortung gerecht werden könne, kann ich nicht zustimmen. Mir ist dieses Konzept suspekt, da es zum einen keinen tatsächlichen Beitrag zur Lösung des Problems oder Beseitigung des Schadens leistet und zum anderen die Befriedigung politischer Affekte nach dem Motto „Es müssen Köpfe rollen“ zum zentralen Reaktionsmuster erhebt. Im vorliegenden Fall heißt das für mich, dass alleine die Existenz gravierender Probleme am Flughafen ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Schuld und Verantwortung an deren Entstehen, die Voraussetzungen für einen Vertrauensentzug nicht rechtfertigt.

Wie zweifelhaft diese Konzeption des Rücktritts aus allgemeiner Verantwortung ist, zeigt sich am Agieren z.B. der Linkspartei. Während in Berlin die Linkspartei den Rücktritt von Klaus Wowereit fordert, unterstützt sie in Brandenburg Matthias Platzeck, obgleich er im gleichen Maße persönliche und allgemein politische Verantwortung trägt. Ich kann nicht verstehen, warum nach Meinung der Linkspartei Wowereit gehen soll aber Platzeck bleiben kann. Die CDU agiert gleichermaßen widersprüchlich nur mit dem Unterschied, dass sie Wowereit stützt und Platzeck stürzen möchte. Offenbar wird die Idee eines Rücktritts aus allgemeiner Verantwortung immer dann favorisiert, wenn man selber in der Opposition sitzt.

Für mich bedeutet darum die Übernahme der politischen Verantwortung, dass alles dafür getan werden muss, um die Ursachen der Probleme zu klären, die Probleme zu beseitigen und strukturelle Konsequenzen für zukünftige Baumaßnahmen zu ziehen. Als Abgeordneter sehe ich mich hier auch persönlich in der Verantwortung.

Zusammenfassend bedeutet das für mich, dass die mir bekannten Fakten rund um den Flughafen BER keinen Entzug meines mehrfach dokumentierten Vertrauens zu Klaus Wowereit rechtfertigen. Aus diesem Grund habe ich am 12. Januar 2013 bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag gegen Klaus Wowereit mit Nein gestimmt.

Lars Oberg

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