Rechtsextremes Gedankengut kommt zunehmend in der Mitte der Gesellschaft an
14.11.2012: Studie "Mitte der Gesellschaft" der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt besorgniserregende Zunahme an rechtsextremen und anti-demokratischen Einstellungen in der deutschen Gesellschaft.
Rechtsextremes, anti-demokratisches und intolerantes Denken war nie nur ein „Randproblem“. Es ist in der „Mitte der Gesellschaft“ angekommen bzw. auch dort schon immer verwurzelt. So lautet, spätestens seit dem Erscheinen der ersten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jahr 2006 zu rechtsextremen Einstellungen in unserer Gesellschaft, das Fazit.
Die neuen Zahlen der Studie „Die Mitte im Umbruch“, bei der 2500 Menschen im ganzen Bundesgebiet befragt wurden, sind erschreckend. So stieg die Zahl der Menschen mit einem „geschlossenen rechtsextremen Weltbild“ in Deutschland von 8,2 Prozent im Jahr 2010 auf 9,0 Prozent in 2012. Bezogen auf Ostdeutschland ergibt sich noch einmal ein dramatischeres Bild. Lag die Zahl der Menschen mit verdichtetem rechtsextremem Gedankengut vor zwei Jahren bei 10,5 Prozent, liegt sie aktuell bei 15,8 Prozent. In Westdeutschland, so die Autoren der Studie, geht die Zahl hingegen leicht von 7,6 (2010) auf 7,3 Prozent zurück. Diese Zahlen werden noch bedrückender vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen zwischen 14 und 30 Jahren ihre Zustimmung zu Sozialdarwinismus oder zur Verharmlosung der NS-Diktatur äußern – erstmals liegen die Zahlen hier höher als bei den über 60-Jährigen.
„Wenn jeder Vierte in unserer Gesellschaft antisemitische Denkmuster aufweist und knapp 20 Prozent der Aussage zustimmen, dass Juden ‚mit ihren Ideen immer für Unfrieden‘ sorgen, dann ist unsere Demokratie in hohem Maße gefährdet“, so Aziz Bozkurt, Landesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt. Zu dem Ergebnis, dass jene, die einen höheren Bildungsstand erwerben konnten und stärker gefördert wurden, weniger anfällig für rechtsextreme Einstellungen sind, sagt Bozkurt: „Dass man mit den Kürzungen der letzten Jahren im Bildungsbereich – so z.B. bei der Bundeszentrale für politische Bildung – auf dem Holzweg ist, zeigt diese Studie aufs Deutlichste. Wir brauchen dringend eine beherzte Erinnerungs- und Demokratiekultur, die aktives Lernen und Teilhabe ermöglicht.“
Als Ursachen für die zunehmenden rechtsextremen Einstellungen in der deutschen Bevölkerung machen die Wissenschaftler Oliver Decker, Johannes Kiess und Elmar Brähler u.a. die prekären Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitslosigkeit, schlechte Bildung und zunehmende Chancenlosigkeit aus. Teilhabe, Mitbestimmung und politisches Engagement werden als wenig attraktiv bzw. folgenlos wahrgenommen. Das politische Parteien Orte der Teilhabe und Mitgestaltung sind, ist vielen oft nicht mehr bewusst. Das Vertrauen in die Funktionsweise und Handlungsfähigkeit der Demokratie lässt nach. „Nicht nur die so genannte Mitte befindet sich damit im Umbruch. Es ist fünf vor zwölf“, so Aziz Bozkurt.