AUS DER BERLINER ZEITUNG: Kein Geld mehr für Schulsozialarbeiter

19 Schulsozialarbeiter sollen entgegen den Versprechungen des Senats ihre Stelle verlieren. Das im Haushalt vorgesehene Geld reicht nicht aus. Alexander Thalheim ist einer der Schulsozialarbeiter, der bald keinen Job mehr hat.

Alexander Thalheim war völlig überrascht, als er in der vergangenen Woche erfuhr, dass er zum Jahresende seine Stelle verlieren soll. Er ist einer von 19 Schulsozialarbeitern in der Stadt, die gehen sollen. Dabei wollte die Politik langfristig jede Schule mit einem Sozialarbeiter ausstatten. Derzeit sind es 255 Schulsozialarbeiter. Doch wegen der jüngsten Tarifsteigerung reicht das im Haushalt vorgesehene Geld nicht aus. Zudem fallen Bundesmittel weg. Dass das Geld nicht reicht, habe man leider erst spät festgestellt, gab SPD-Bildungspolitiker Lars Oberg zu Protokoll.

„Damit hätte ich nicht gerechnet“, sagt Thalheim. Der 37-Jährige arbeitet seit fast zwei Jahren an der Gustave-Eiffel-Sekundarschule, gelegen in einem Plattenbauviertel hinter dem S-Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg. Dort will der betont höfliche Mann genau das erreichen, was Politiker in Sonntagsreden gerne fordern. Nämlich möglichst alle Schüler zu einem Abschluss führen, bestenfalls keinen zurücklassen. Derzeit ist es so, dass jeder zehnte Schüler in Berlin die Schule vorzeitig abbricht.

Verhaltensauffällig aus Versagensangst

Gemeinsam mit einem Lehrer und einer Sozialpädagogin in Teilzeit betreut er temporäre Lerngruppen, bestehend aus etwa acht Schülern. Es sind Kinder und Jugendliche, die allergrößte Probleme in der Schule haben, häufig fehlen und im normalen Unterricht nicht mitkommen. Im ersten Stock der Schule wurde ein Raum für diese Gruppe hergerichtet. „Wir sind pünktlich und arbeitsbereit“ oder „Wir mobben niemanden“ steht auf Zetteln an der Wand. Dazu haben sich die Problemschüler selbst verpflichtet. „Viele sind verhaltensauffällig, weil sie Versagensangst haben und der Lernerfolg ausbleibt“, sagt Thalheim. Er ist jeden Morgen schon vor acht Uhr an der Schule und achtet darauf, dass alle Schüler der Lerngruppe erscheinen. Wer fehlt, bei dem ruft er schon mal zu Hause an.

Thalheim kennt den familiären Hintergrund der Schüler besser als die Lehrer. „Viele Eltern sind so auf Arbeit und Auskommen fixiert, dass die Kinder zurückstehen“, sagt er. Andere Eltern haben selbst massive Probleme. Wenn man so will, ersetzt Thalheim ein wenig das Elternhaus, soll mit seiner freundlichen, aber bestimmten Art Rollenvorbild sein für die Schüler. Dabei komme es gerade auf Beständigkeit und Verlässlichkeit an, sagt Thalheim.

Den Tag in der Lerngruppe beginnen die Schüler mit Konzentrationsübungen, dann folgt Unterricht in den Kernfächern, jeder Schüler wird besonders betreut. Am Ende jedes Schultages sprechen die Schüler mit dem Sozialarbeiter darüber, was sie gut gemacht haben, und wo es noch viel zu tun gibt. So lernen sie sich selbst und ihre Möglichkeiten besser kennen. Freitags muss die Gruppe ohne Lehrer auskommen. Nach einem halben Jahr sollen die Schüler so fit sein, dass sie wieder eine Regelklasse besuchen können.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte betont, dass Schulen in sozialen Brennpunkten von den Streichungen verschont bleiben. Als Brennpunkt-Schule gilt, wenn mehr als 40 Prozent der Schüler nichtdeutscher Herkunft sind – oder mehr als 40 Prozent der Schüler aus Familien kommen, die staatliche Transferleistungen beziehen. An der Eiffel-Schule kommen gut 45 Prozent aus solch armen Familien. Trotzdem soll Thalheim gehen. Auch andere Schulen mit ähnlichen Problemen sind betroffen.

Entscheidung im Parlament

Gleichzeitig bereiten Scheeres und SPD-Fraktion ein 14 Millionen Euro schweres Programm für Brennpunktschulen vor, dessen Finanzierung noch unklar ist. In einem Bericht an das Abgeordnetenhaus hatten sich Fachpolitiker und Verwaltung noch 2010 dafür ausgesprochen, dass jede Schule Sozialarbeiter erhalten soll. Jetzt droht der Rückwärtsgang, warnen Träger der Jugendhilfe. Am Mittwoch waren die Sparpläne Thema im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, die Grünen hatten beantragt, den Sparbeschluss rückgängig zu machen. Daraufhin wurde das Thema erst mal vertagt.

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