Crellestraße in Aufruhr
07.06.2013: Drohende Baumfällungen und eine Baugenehmigung sorgen für Ärger in dem Kiez um die Crellestraße.
Die vielen Flugblätter, Aufrufe und Plakate, die man zur Zeit in der Crellestraße sehen kann zeigen, dass es dort zur Zeit großen Unmut und Gesprächsbedarf gibt. Zwei Vorhaben bzw. Entscheidungen des Bezirks stoßen auf Widerspruch aus dem Kiez.
Zum einen geht es um die geplante Bebauung des Grundstücks direkt an der Langenscheidt-Brücke (Crellestraße 22a) und zum anderen um die Umgestaltung der ehemaligen Bahnflächen entlang der S1 zu einer Parkfläche, die den Cheruskerpark und den Park auf dem Gleisdreieick verbinden soll.
Bebauung der Crellestraße 22a
Das Bezirksamt hat auf dem Grundstück Crellestraße 22a den Bau eines Mehrfamilienhauses genehmigt. Verbunden wurde die Baugenehmigung mit der Erlaubnis, die drei alten Linden, die auf dem Bürgersteig vor dem Haus stehen zu fällen. Im Lichte der Planungen der letzten 15 Jahre mutet diese Baugenehmigung fast wie ein Schurkenstück an, denn eigentlich sollte an dieser Stelle ein Spielplatz entstehen.
- 1998 verabschiedete der Bezirk Schöneberg auf Initiative des zuständigen Stadtrats Otto Edel (SPD) einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Umsetzten ließen sich die Pläne damals allerdings noch nicht, da das Grundstück noch planungsrechtlich Bahnfläche war. Lange Jahre unternahmen die zuständigen und Stadträtinnen und Stadträte nichts, um den Bau des Spielplatzes voranzubringen.
- 2007 teilte der mittlerweile zuständige Stadtrat Bernd Krömer (CDU) der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit, dass er beabsichtige, den Aufstellungsbeschluss und damit den Spielplatz nicht weiter zu verfolgen, da auch mittelfristig nicht mit einer Entlassung des Grundstück aus den Bahnnutzung zu rechnen sei. Die BVV wies dieses Ansinnen allerdings zurück.
- Ebenfalls 2007 forderte die BVV erneut auf Initiative der SPD das Bezirksamt auf, bei allen ungenutzten Eisenbahnflächen für planungsrechtliche Klarheit zu sorgen. Ausdrücklich genannt wurden in dem Antrag die Crellestraße, die Bautzener Straße, der Güterbahnhof Willmersdorf und der Güterbahnhof Tempelhof. Ziel war es sicherzustellen, dass der Bezirk auf die irgendwann zu erwartende Entlassung der Bahnflächen vorbereitet ist und Pläne für die Nachnutzung aufstellt. Es sollte verhindert werden, dass für diese Flächen ein sich der politischen und öffentlichen Gestaltung entziehendes Planungsvakuum entsteht. Das Bezirksamt ignorierte diesen Beschluss leider, ließ das befürchtete Vakuum zu und erzeugte so viele stadtentwicklungspolitksche Streitfälle, die aktuell im Bezirk diskutiert werden.
- Im Jahr 2011 vollzog das Bezirksamt eine überraschende Wende. Trotz der bekannten Positionen der BVV in Sachen Spielplatz und Planungsrecht erteilte Stadtrat Krömer am 8. Februar 2011 dem neuen Eigentümer eine Bauvorbescheid für ein Wohnhaus, der mit der Entlassung des Grundstücks aus der Bahnfläche wirksam und verbindlich wird. Mit diesem Winkelzug sorgte Herr Krömer dafür, dass sowohl die BVV als auch die Öffentlichkeit keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten mehr besitzen. Rechtlich ist ein solches Verfahren möglich, es stellt aber zugleich die hohe Schule der Hinterzimmerpolitik dar, die Transparenz und Bürgerbeteiligung unmöglich macht. Wenig überraschend wurde das Grundstück Crellestraße 22a am 5. Juni 2012 aus dem Bahnrecht entlassen und damit ist der Bauvorbescheid wirksam auf dessen Grundlage dort nun gebaut werden wird. Eine politische Diskussion über die Art und Größe der Bebauung wird es nicht mehr geben, da ja bereits alles feststeht.
Neben dieser Farce, die zur Baugenehmigung geführt hat, ist insbesondere zu hinterfragen, warum die drei Linden VOR dem Grundstück für den Bau geopfert werden sollen. Es ist nicht zu verstehen, warum diese Bäume nicht erhalten bleiben können. Der Bau und die Bauarbeiten sollten so angepasst werden, dass es nicht zu einer Fällung kommen muss. Ich finde den Protest der Anwohner absolut nachvollziehbar und hoffe auf Einsicht beim Bezirksamt und dem Eigentümer.
Umgestaltung des Wannseebahn-Grabens
Entlang der S1 zwischen den Bahnhöfen Yorckstraße (Großgörschenstraße) und Julius-Leber-Brücke befindet sich ein verhältnismäßig breiter Streifen, auf dem früher Gleise verliefen. Seit vielen Jahren liegt diese Fläche brach, wurde weder genutzt noch gepflegt, so dass sich dort eine üppige Vegetation ausbreiten konnten. Seit mehreren Jahren verfolgt der Bezirk die Idee, diese und weitere ehemalige Bahnflächen rund um die Schöneberger Insel zu einem Grünzug zu entwickeln, der Schöneberger Schleife genannt wird. Unterstützt wird der Bezirk dabei vom Bund im Rahmen des Programms "Stadtumbau West". Entlang der Torgauer Straße und nördlich des Bahnhofs Südkreuz nimmt die Schöneberger Schleife bereits sichtbar Gestalt an. Um auch die entlang der Crellestraße verlaufenden Flächen in den Grünzug der Schöneberger Schleife integrieren zu können hat der Bezirk den Entwurf eines Bebauungsplans vorgelegt, der diesen Bereich als Grünfläche ausweist.
Gegen diesen Beebauungsplan regt sich nun ebenfalls Protest. Einige Anwohner kritisieren, dass mir Gestaltung als Grünfläche der von Ihnen als "Crelle-Urwald" bezeichnete stark verwilderte Streifen zwischen Langenscheidt-Brücke und Großgörschenstraße bedroht sei. Ich finde es grundsätzlich sehr positiv, wenn diese bislang nicht benutzbare Fläche für alle Schönebergerinnen und Schöneberger geöffnet und als Grün- und Erholungsflache gestaltet wird. Das dabei in den Wildwuchs eingegriffen werden muss liegt auf der Hand. Allerdings müssen die Eingriffe sehr sensibel erfolgen uns insbesondere die dort stehenden Bäume erhalten werden.
Die Fläche so zu lassen wie sie ist halte ich für keine gute Option. Aktuell kann niemand diesen Stadtraum nutzen und neben der üppigen Natur liegt dort vor allem extrem viel Müll, der stetig mehr wird und weder ökologisch wertvoll ist noch die angrenzenden Kieze lebenswerter macht.
ZUSAMMENFASSUNG
1. Die Genehmigung der Bebauung auf dem Grundstück Crellestraße 22a ohne jede Beteiligungsmöglichkeit für die Anwohnerinnen und Anwohner ist ein Skandal, zumal die Beschlüsse der BVV dort einen Spielplatz zu errichten bzw. eindeutiges Planungsrecht zu schaffen vom Bezirksamt bewusst ignoriert wurden.
2. Die drei auf öffentlichem Straßenland vor dem Grundstück stehenden Linden müssen erhalten werden und dürfen nicht der Bebauung geopfert werden.
3. Die Umgestaltung der Fläche entlang der Wannseebahn zu einem Park muss behutsam und unter Bewahrung möglichst aller Bäume geschehen
In einer ersten Version dieses Artikels wurde als Datum des Bauvorbescheids irrtümlich der 8.2.2012 angeben. Dies ist falsch. Richtig ist der 8.2.2011. Ich bitte um Entschuldigung für diesen Fehler. Insbesondere tut es mir leid, diese Entscheidung fälschlicherweise, der seit Ende 2011 amtierenden Städträtin Klotz zugeschrieben zu haben.

Das Eckgrundstück Crellestraße 22a - rechts im Bild sind die drei bedrohten Linden zu sehen

Flugblätter direkt vor dem Baugrundstück an einer der drei gefährdeten Linden in der Crellestraße

Blick von der Langenscheidt-Brücke auf die Wannseebahn - hier soll ein Park entstehen.